Der Weg des Maurers




Viele Bücher füllen die Regale der Bibliotheken zum Thema „Freimaurerei“. Immer wieder trifft man in der Historie Europas auf diese kleine Gruppe von Menschen, einer Bruderschaft von Eingeweihten, die die Geschicke der Staaten seit 300 Jahren mit zu bestimmen scheint. Diese Bruderschaft umgibt der Flair des Geheimnisvollen und der Geheimnisse - im Selbstverständnis bezeichnet sich die Bruderschaft lieber als diskret. Gerade in der heutigen Zeit, in der alles offen vor uns zu liegen scheint, zieht dieser Gedanke immer mehr Menschen in ihren Bann, die davon reden, dass sie über das Geheimnis nicht sprechen wollen, es aber im Übrigen auch gar kein Geheimnis gäbe.

Das Geheimnis gibt es natürlich nicht, denn wenn es ein Geheimnis gäbe, würde man nicht davon hören, und wenn es etwas wäre, was jeder kennt, wäre es kein Geheimnis. Trotzdem fällt einem in der Hektik des Alltags oft nicht auf, dass man eine Sache am Besten dort versteckt, wo sie jeder sehen kann. Es gibt ein Wissen, das in allen Menschen vorhanden ist und darauf wartet, entdeckt zu werden. Die Geheimnisse der Freimaurerei liegen versteckt in jedem Menschen. Sie warten nur darauf, entdeckt zu werden. Begeben Sie sich mit mir auf die Reise zu Ihrem persönlichen versteckten Geheimnis!

Die Freimaurerei besteht in Ihrem Konzept aus der Idee einer mittelalterlichen Dombauhütte, die den Auftrag bekommt, eine gotische Kathedrale zu bauen. Sie selbst sind, je nach Ihren Möglichkeiten, Lehrling Geselle oder Meister einer Steinmetzloge der Dombauhütte. Sie sind dafür verantwortlich, die Figuren oder die Schlusssteine aus einem Felsblock zu hauen.

Der Ort ist nicht weiter wichtig, wenn Sie möchten, schauen Sie sich die gotischen lichtdurchfluteten Kathedralen in Chartres, Köln, Paris oder sonst wo an. Es ist immer wieder ein Genuss, sich klarzumachen, dass es ausser dem Intellekt bei diesen sakralen Bauwerken darum geht, ein erhabenes Gefühl der Glückseligkeit, der tiefen Gläubigkeit, zu erzeugen. Wenn Sie dieses Gefühl nachempfinden können, sind Sie ein Gläubiger, und das Bauwerk hat seinen Zweck erfüllt, Sie in Ihrem Glauben zu bestärken. Der Auftraggeber kann mit seiner Dombauhütte und den Bauleuten zufrieden sein, das Geld ist gut angelegt und der Nutzer, der Gläubige, ist ebenfalls zufrieden. Die Mitglieder der Dombauhütte gehen ruhig und sicher Ihrer Weg und treffen sich vielleicht bei einem anderen Bauvorhaben wieder.

Wären Sie ein Eingeweihter, z.B. ein Dombaumeister, wüssten Sie natürlich um die Wirkung der Formen und Farben auf den Gläubigen. Sie wüssten warum welche Fenster wie und warum das Licht in den Raum fallen lassen und Sie wüssten, wie der Bauplan der Kathedrale ausgesehen haben könnte. Sie hätten sich mit Geometrie und Arithmetik befasst und hätten mit der Zeit gelernt, wie man sie richtig einsetzt. Sie würden auch die kleinen Fehler in der Fassade oder an einer Figur entdecken oder darauf achten, ob das Licht wirklich in einem bestimmten Winkel in die grosse Halle fällt.

Hier trennen sich die Wege der staunenden Gläubigen und der wissenden Bauleute. Da die wenigsten Handwerker stauend vor ihren eigenen Gewerken stehen, warnt der fürsorgliche Dombaumeister hier ausdrücklich davor, sich einer Gruppe anzuschliessen, die einem dieses Staunen nimmt. Wenn Sie sich einer Bauhütte anschliessen kommt es nur noch auf Ihre eigene Fähigkeit an, zu lernen und auf ihre Fähigkeit, ein Kunstwerk zu erschaffen. Es kommt auf Ihre Taten an und Ihre Fähigkeit, sich in der kleinen Steimetzloge einzubringen. Sie werden von, aber auch mit, Ihrer Kunst leben müssen.

Wenn Sie sich entschliessen Steinmetz zu werden, die Dinge zu sehen, wie sie sind, dann werden Sie die Eigenschaften des staunenden Gläubigen verlieren. Vieles, was für Sie selbstverständlich wird, ist für den einfachen Gläubigen unverständlich. Der Gläubige darf dieses Wissen auch gar nicht haben, wenn Sie Ihre Aufgabe erfüllen wollen. Ihre Aufgabe kann nur erfüllt werden, wenn der einfache Gläubige weiterhin gläubig und staunend in die Kathedrale geht. Das ist das Geheimnis der Freimaurerei, aber auch das Schicksal eines Freimaurers.

Wenn man an den Weihnachtsmann glaubt, gibt es nichts schöneres, als Weihnachten. Wenn man plötzlich erfährt, dass die Eltern nur eine Geschichte erzählten, ist man zutiefst enttäuscht und Weihnachten wird nie wieder wie es in der Erinnerung unserer Kindheit war. Weihnachten ist aber gerade auch deshalb so schön, weil es von Kindern und Eltern gelebt wird. Was wäre Weihnachten ohne staunende glänzende Kinderaugen, oder wenigstens die Erinnerung daran? Die geraubte Illusion führt bei Eingeweihten zu den unterschiedlichsten Denk- und Handlungsweisen. Es gibt Eingeweihte, die einfach ignorant oder zynisch werden, aber es gibt auch Menschen, die Eltern oder Nikoläuse sein wollen; Menschen die die leuchtenden Kinderaugen in ihrem persönlichen Umfeld durch die persönliche Tat erzeugen. Jeder muss hier die Entscheidung treffen, ob man wichtigtuerisch erklärend die Kinder von diesem Unsinn befreien will oder mitmenschlich gefühlvoll vorgeht, um den Kindern die Freude an Weihnachten zu belassen.

Hier beginnt die Reise des Freimaurers, der sich aufmacht in seinem Leben den Tempel der Humanität, ein Konzept der Mitmenschlichkeit, zu errichten. Hier kann Ihre persönliche Reise beginnen, oder hier sollte sie spätestens Enden. Wenn Sie die Grenze des Gläubigen zum Handwerker überschreiten, muss Ihnen klar sein, dass Sie sich auf Ihren persönlichen Weg machen, Verantwortung für Ihr Leben und in Ihrem Leben zu übernehmen und die Fähigkeiten des staunenden Betrachters verlieren werden.